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Mai 2022

einBlick: Globale Wirtschaft - Achillesferse Lieferketten?

einBlick: Globale Wirtschaft - Achillesferse Lieferketten? - © Pixabay

Globale Wirtschaft - Achillesferse Lieferketten?

Die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine haben die Fragilität internationaler Lieferketten offengelegt. Lieferzeiten stiegen deutlich an und Kosten für viele Rohstoffe oder Vorprodukte befeuern die bereits hohe Inflation noch weiter. Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige zwingt die aktuelle Situation auch langfristig zum Umdenken. Wie bei allen globalen Trends, wird es auch in diesem Fall klare Gewinner und Verlierer geben.

Mehr als zwei Jahre haben das Coronavirus und die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung die Weltwirtschaft bestimmt. Gerade als eine langsame Abschwächung des Infektionsgeschehens erkennbar schien und sich Unternehmen immer besser auf die Schwierigkeiten in ihren Lieferketten einstellen konnten, schockte der Ukraine-Krieg die Welt. Der Angriff russischer Truppen führte zu umfassenden Sanktionen und Boykotts, welche die Weltwirtschaft empfindlich trafen. Wachstumserwartungen wurden in der Folge nach unten korrigiert und die Inflation dafür in die Höhe getrieben. Schnell machten Unkenrufe über ein neues Zeitalter der „Deglobalisierung“ die Runde. Die Vernetzung der Weltwirtschaft durch Handel und globale Arbeitsteilung könnte demnach ins Stocken geraten oder sogar zurückgedreht werden.

Erstes Anzeichen für diese Entwicklung war bereits der Handelskrieg zwischen den USA und China im Jahr 2018. Bekanntermaßen war ein Ziel des US-Präsidenten Trump dabei auch wieder Jobs aus China zurück in die Vereinigten Staaten zu holen, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die heimische Industrie zu stärken. Während damals die konkreten Auswirkungen auf die Wirtschaft marginal ausfielen, waren sie in der Corona-Krise gravierend. Lockdowns und krankheitsbedingte Ausfälle in der Produktion eines Landes konnten schnell zu Produktionsstopps in einem anderen Land führen. Medizinische Schutzkleidung wurde in Deutschland knapp, da diese kaum noch im Inland produziert wurde. Besonders die in den letzten Jahrzehnten gewachsene Abhängigkeit von China wurde den westlichen Industrienationen deutlich vor Augen geführt.

Auch in diesen Tagen bekommen wir die Auswirkungen der Zero-Covid-Strategie Pekings zu spüren. Sei es durch längere Lieferzeiten diverser Produkte oder immer weiter steigende Preise. Die Bedeutung von Russland und der Ukraine sind für die Weltwirtschaft zwar ungleich kleiner als China, trotzdem ist gerade Europa auf russische Rohstoffe angewiesen. Es geht dabei nicht nur um Öl, Erdgas und Weizen, sondern auch um Metalle wie Palladium und Neon. Beide Rohstoffe werden insbesondere für die Halbleiterindustrie dringend benötigt. Also eine Industrie, die bereits vor Kriegsausbruch nicht die vorhandene Nachfrage bedienen konnte.

Eine Möglichkeit, sich von ausländischen Lieferketten unabhängiger zu machen, ist natürlich, die gesamte Produktion und damit verbundene Arbeitsplätze aus Billiglohnländern zurückzuholen. Dieser Prozess ist aber nicht auf die Schnelle durchzuführen und gleichzeitig mit gewaltigen Mehrkosten verbunden. Wenig überraschend stellte daher beispielsweise gerade erst die Handelskammer von Shanghai klar, dass aktuell keine US-Firmen ihre Produktion aus China in ihr Heimatland verlagern.

Stattdessen diversifizieren Unternehmen ihre Lieferketten lieber, indem sie Lieferanten-Netzwerke erweitern, um nicht mehr auf einzelne Unternehmen und Wirtschaftsregionen angewiesen zu sein. Kleinere, flexiblere und wachsende Unternehmen sind hier in der Regel im Vorteil, da sie diese Netzwerke erst aufbauen und nicht erst gewachsene Strukturen aufbrechen müssen.

Unterstützung könnte das sogenannte Reshoring – also das zurückholen von Arbeitsplätzen aus dem Ausland – auch aus der Politik erhalten. Als Reaktion auf die aktuellen Krisen haben sich etwa viele europäische Staaten das Ziel gesetzt, die Versorgungssicherheit bei strategischen und lebensnotwendigen Gütern wie Medikamenten, Energieträgern und Technologie zu verbessern. Schlüsselprodukte und -technologien sollen zukünftig also möglichst „Made in EU“ sein. Beispiel hierfür ist der geplante Bau zweier Halbleiterfabriken in Magdeburg durch die Firma Intel. Damit sollen nicht nur 3.000 Arbeitsplätze geschaffen, sondern laut der Bundesregierung auch für „resiliente Lieferketten sowie wettbewerbsfähige und leistungsfähige Produktionsstrukturen […] in Deutschland und Europa“ gesorgt werden. Die aktuellen Krisen scheinen auch der entscheidende Anlass zu sein, um die EU endlich zu einer gemeinsamen Industriepolitik zu zwingen, über die im letzten Jahrzehnt nur endlos debattiert wurde.

Wenn zukünftig deutsche Unternehmen ihre Produktion doch wieder verstärkt im Inland oder europäischen Ausland ansiedeln möchten, wäre dies aus Kostengründen wohl nur bei einem hohen Grad an Automatisierung und dem Einsatz von Industrierobotern möglich. Dies bietet selbstverständlich Chancen für entsprechende Robotik- oder KI-Unternehmen, aber auch für Firmen, die bereits über stark automatisierte und digitalisierte Prozesse verfügen.

Fazit: Corona-Krise und Ukraine-Krieg sind zu einem Weckruf für die Industrie geworden. Zu lange wurden Abhängigkeiten von einzelnen Ländern oder Lieferanten einfach hingenommen und der Aufbau eines stabilen Netzwerks aus Lieferketten verschlafen. Ziehen europäische Unternehmen die richtigen Lehren aus der aktuellen Situation, kann sich das für Anleger gleich in mehrfacher Hinsicht auszahlen: Zukünftige Krisen mit Lieferengpässen oder Probleme bei Zulieferern sollten dann nicht mehr zu Produktionsausfällen oder stark steigenden Kosten führen. Dies sorgt für Stabilität in den Bilanzen und an den Börsen. Europäische Regierungen wollen zudem die Vorherrschaft der USA und Asien im Technologiesektor nicht mehr als Gott gegeben hinnehmen und kündigen entsprechende Förderprogramme an. Besonders im Fokus dabei das 5G-Netz, digitale Infrastruktur und Klimatechnologie. Gerade bei grünen Technologien gibt es in Europa einige Kandidaten, die auch auf dem globalen Markt eine führende Rolle einnehmen könnten.

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1.Pixabay

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